Das ist nicht nur das Motto von vielen Reisenden, die aufgrund von COVID-19 diesen Sommer einen inländischen Urlaub in abgelegenen Regionen bevorzugen, sondern auch von unserer Kollegiatin Nora, die Teile des Westwegs im Schwarzwald im Zuge ihrer Feldforschung erwanderte. Ziel war es, die mehrtägige Fernwanderung selbst zu erleben und diese dicht zu beschreiben, sich mit anderen Wandernden über die Wandererfahrungen auszutauschen und verschiedene Mediennutzungen zu beobachten. Ganz im Sinne einer teilnehmenden Beobachtung war die eigene unmittelbare Erfahrung wie auch die Betrachtung von Interaktionen und sozialen Handlungen für die Forschende relevant.
Der Westweg ist der älteste Fernwanderweg Deutschlands und wurde 1900 erstmals ausgeschildert. Er reicht von Pforzheim im Nordschwarzwald bis nach Basel in der Schweiz (insgesamt 285 Kilometer) und verbindet die höchsten Gipfel des Schwarzwaldes miteinander. Die rote Raute auf weißem Grund ist die Markierung, der es zu folgen gilt. Der Weg führte durch eine sich täglich verändernde Landschaft mit Laubwäldern in Flusstälern, Tannen und Fichten auf bewaldete Bergspitzen sowie durch Grindenlandschaften, Felsformationen und Hochmoore. Blicke in die Rheintalebene komplettierten die im Schnitt 25km langen Tagestouren.
Dabei wurde von den Wandernden ganz unterschiedlich mit dem Westweg umgegangen: Einige erhöhten den Abenteuergrad und hatten ein eigenes Zelt sowie Gaskocher dabei, um sich selbst versorgen und nachts in Schutzhütten übernachten zu können. Wieder andere nutzten die komfortablen Hotelangebote entlang der Strecken und ließen sich ihre Rucksäcke bis zur nächsten Etappe transportieren. Während einige zielstrebig und den Schmerzen zum Trotz alle Etappen erliefen, nutzten andere gelegentlich das ÖPNV-Angebot, um sich zu schonen. Ähnlich konträr verhielt es sich bei der Mediennutzung: Während einige ausschließlich das Smartphone zur Ortung und Navigation nutzten („Ich vertraue lieber der Technik!“) oder zahlreiche Fotos per Touch aufnahmen, wurde zudem auf einem einsamen Berggipfel Pokémon Go gespielt. Andere verzichteten bewusst komplett auf technische Endgeräte und nahmen auch Umwege in Kauf. Und vor allem klassische Wanderführer wurden bei Unsicherheiten konsultiert.
In der Summe wurden wiederkehrende Gespräche mit etwa 15 Personen geführt, die zur gleichen Zeit unterwegs waren. Das Prozesshafte im Wanderalltag konnte eingefangen werden, da an verschiedenen Tagen zu verschiedenen Uhrzeiten die Wege einander kreuzten – ob bei der gemeinsamen Mittagspause im Schatten unter dem Kaiser-Wilhelm-Turm, abends in der Vesperhütte bei wohlverdienter Mahlzeit oder in den frühen Morgenstunden beim gemeinsamen Aufbruch zum nächsten Etappenziel. Tag für Tag entstand ein zunehmendes Zugehörigkeitsgefühl; es wurden Freuden und Herausforderungen miteinander geteilt. Während der Touren entstanden somit tiefgehende Einsichten und differenzierte Beobachtungen, die zeigen, wie divergierend und vielschichtig die gleichen Wanderungen erlebt werden.